Robert und Bertram (1939)

Regie: Hans H. Zerlett. Regie-Assistenz: Elly Rauch. Buch: Hans H. Zerlett; nach der Posse "Robert und Bertram" (1859) von Gustav Raeder. Kamera: Friedl Behn-Grund. Optische Effekte: Ernst Kunstmann. Standfotos: Richard Wesel. Bauten: Erich Zander, Karl Machus. Kostüme: Paul Scheurich, Maria Pommer-Pehl. Schnitt: Ella Ensink. Ton: Hans Rütten. Choreographie: Ernst Drost. Musik: Leo Leux. Liedtexte: Hans Hannes [= Hans H. Zerlett]. Gesang: Kurt Seifert (1), Rudi Godden (2), Eva Tinschmann (3), Willi Schur (4), Musik-Titel: "Die traurige Liebschaft an der Donau: Es fuhr ein Matrose wohl über das Meer" (Volkslied, 3+4), "Geh nicht fort von mir", "Michel, paß auf ...", "Ach, Verruchter" (2).

Darsteller: Rudi Godden (Robert), Kurt Seifert (Bertram), Carla Rust (Lenchen), Fritz Kampers (Strambach), Heinz Schorlemmer (Michel), Herbert Hübner (Ipelmeyer), Inge van der Straaten (Frau Ipelmeyer), Tatjana Sais (Isidora), Ursula Deinert (Tänzerin), Robert Dorsay (Jack), Friedrich Beug, Erwin Biegel, Peter Bosse, Fred Goebel, Harry Gondi, Aribert Grimmer, Otto Henning, Fritz Hoopts, Kurt Keller-Nebri, Franz Jan Kossak, Gustl Kreusch, Walter Lieck, Alfred Maack, Manfred Meurer, Arnim Münch, Lucie Polzin, Arthur Schröder, Franz W. Schröder-Schrom, Willi Schur, Rudolf Schündler, Hans Stiebner, Eva Tinschmann; Gerhard Dammann, Claire Glib, Kurt Mikulski, Gerti Ober, Egon Stief, Auguste Wanner-Kirsch, Kurt Zehe.

Produktion: Tobis-Filmkunst GmbH, Berlin [Herstellungsgruppe Helmut Schreiber]. Produktionsleitung: Helmut Schreiber. Aufnahmeleitung: Rudolf Fichtner; Karl Buchholz. Drehzeit: 9.1. – Anfang März 1939. Drehorte: Tobis-Ateliers Berlin-Johannisthal. Länge: 93 min, 2556 m. Format: 35mm, s/w, 1:1.33, Tobis-Klangfilm. Zensur: 20.6.1939, B.51648, Jf. Uraufführung: 7.7.1939, Hamburg (Ufa-Palast); 14.7.1939, Berlin (Ufa-Palast am Zoo).

Im Jahre 1942 wurde der Schluß des Films geändert: Robert und Bertram verpflichten sich nun zum Militärdienst.


INHALT - CONTENT

Nach der Posse von Gustav Raeder inszenierte Hans H. Zerlett sein berüchtigtes antisemitisches Musical: Nachdem die beiden Vagabunden Robert und Bertram aus dem Gefängnis geflohen sind, machen sie im Gasthof »Silberner Schwan« die Bekanntschaft der Wirtstochter Lenchen. Da ihr Vater in Geldnot ist, soll Lenchen den Gläubiger Biedermeier statt des geliebten Rekruten Michel heiraten. Um das zu verhindern, reisen Robert und Bertram in die Hauptstadt und gelangen unter falschem Namen ins Haus des jüdischen Kommerzienrats Ipelmeyer, bei dem Biedermeier hoch verschuldet ist. Beim abendlichen Kostümfest stehlen die Landstreicher den Familienschmuck und übergeben ihn Lenchens Vater. Lenchen und Michel sind vereint, Robert und Bertram fliehen mit einem Fesselballon direkt in den Himmel.

Drawing from the burlesque by Gustav Raeder, Hans H. Zerlett scripted his infamous anti-Semitic musical: After their successful jailbreak, vagabonds Robert and Bertram make the acquaintance of Lenchen, who is the daughter of the local innkeeper. Since her father is broke, he urges Lenchen to marry his creditor Biedermeier instead of her beloved Michel. In order to prevent this, Robert and Bertram travel to town and - under false pretensions - sneak into the house of jewish financier Ipelmeyer, who has loaned Biedermeier a lot of money. That night a costume ball is held, during which the two tramps steal the family fortune, only to hand it over to Lenchen's father. Lenchen and Michel are reunited, while Robert and Bertram escape with a captive balloon which takes them directly to heaven.


KRITIK

In der Besetzung der Hauptrollen mit Rudi Godden und Kurt Seifert liegt die Stärke des Films. Ihre quirlige Lebendigkeit ist der Motor des ganzen Werkes.

In ihrer Führung steuert der Regisseur Zerlett zielbewußt auf den unwirklichen Schluß hin. Zwei, die mit einem Fesselballon geradewegs in den Himmel hineinfliegen, müssen Menschen sein, die auch schon auf ihren Erdenwegen vom Zauber des Märchens umweht sind. Bereits bei ihrer Flucht aus dem Gefängnis ist nicht jede Einzelheit von dieser Welt, denn wie sollte sonst der dicke Seifert von dem schmalen Godden durch die Decke gezogen werden können. Dann wandern sie durch das blühende Land, singend und tanzend, Kavaliere in zerrissenem Rock. Man wünschte, ihr Weg nehme kein Ende, so bezaubernd ist es, wenn sie sich bei den Händen fassen und artige Reigen vollführen.

Nun ist ihr Tun durchaus nicht nur eitel Ringelspiel. Sie müssen sich auch mit den diesseitigen Dingen befassen, mit Geschirrwaschen und Juwelenstehlen. Das liest sich härter als es gemeint ist. Denn Robert und Bertrams Fischzug im Hause des jüdischen Bankiers Ipelmeyer dient doch nur dem höheren Zweck, zwei brave Leute aus den Maschen eines Gaunernetzes zu befreien.

Im übrigen ist dieser kühne Handstreich ein Mordsspaß für die Zuschauer. Wird doch erstmalig in einem Film das Judentum zur Zielscheibe eines überlegenen und wirkungssicheren Spottes gemacht. Wenn Herbert Hübner protzend und lüstern durch sein Palais schreitet und jüdelt, daß sich die Dialogzeilen biegen, wenn Inge v. d. Straaten eine Sarah hinlegt, daß man immer an fette Gänsegrieben denken muß, dann brüllt das Publikum vor Vergnügen. Witze, alt aber gut, schlagen ein wie Blitze im Mai. Das Entscheidende und Wichtige aber ist, daß diese Attacke von einem Könner wie Zerlett geführt wird, der genau weiß, wie er der Einstellung des Volkes zu diesen Dingen konzentrierte und das Wesentliche treffende Form verleiht.

Georg Herzberg: Robert und Bertram. In: Film-Kurier, Nr. 162, 15.7.1939.


LITERATUR

Der Tobis-Film "Robert und Bertram", inszeniert von Hans Heinz Zerlett, basiert auf der gleichnamigen musikalischen Posse von Gustav Raeder, die seit 1865 auf den deutschen Bühnen sehr populär und noch gänzlich frei von antisemitischen Motiven war. Zerletts Drehbuch ist ein Musterbeispiel dafür, wie antisemitische Triebtäter einem harmlosen Genrestoff eine ganz neue und infame Stoßrichtung geben können.

Zentralfigur des Films ist der jüdische Berliner Bankier Ipelmeier (gespielt von Herbert Hübner), der als "neureich" gekennzeichnet wird. Dieser Begriff wurde schon im 19. Jahrhundert vorzugsweise mit wohlhabenden jüdischen Familien in Verbindung gebracht, denen unterstellt wurde, sie seien, meist aus Galizien kommend, auf dunklen Wegen, jedenfalls auf Kosten ehrbarer Deutscher zu ihrem Wohlstand gelangt. Die Geschichte spielt um 1840; Ipelmeyer ist steinreich und sehnt sich nach gesellschaftlicher Anerkennung; vor allem drängt es ihn, vom deutschen Adel akzeptiert zu werden - prompt fällt er auf zwei Landstreicher herein, die sich ihm als Repräsentanten der Aristokratie vorstellen. Ipelmeyer als gesellschaftlicher Typus ist schnell umrissen: er ist, seines angehäuften Reichtums ungeachtet, ein minderwertiger Tölpel aus dem Osten, kulturlos, ungebildet; sein Vermögen hat er sich erschlichen und seine Villa mit dem geschmacklosen, aber teuren Plunder der Epoche vollgestopft. Ein Gauner, der nichts als Schmach verdient.

Natürlich ist er das, was zu seiner Zeit ein "Schürzenjäger" genannt wurde - aber er nimmt auch die Untreue seiner Frau in Kauf, wenn es die Geschäfte voranbringt. Seine Frau ist nicht weniger unsympathisch gezeichnet als die Tochter Isidora, deren Darstellerin, Tatjana Sais, im Presseheft der Tobis sich folgendermaßen äußerte: "Es ist ein heikles Gefühl, als Judenmädchen in das Bewußtsein des Publikums einzugehen. Mir wurde das an den entsetzten Blicken klar, mit denen uns die vielen Besucher während der Drehzeit musterten. Wir sahen wirklich aus wie die waschechte Mischpoke." (14)

Dieser banale, geschwätzig-dumme Alltags-Antisemitismus entsprach genau jener Disposition, der ein Film wie "Robert und Bertram" ideologische Zuhälterdienste leistete. Er war in der Serie der antisemitischen Filme die einzige Filmkomödie - doch selbst als Erzeugnis des heiteren Genres war er bereits an die Strategie der Vernichtung angekoppelt. Der Pressechef der Tobis brachte es fertig, zu behaupten, Gustav Raeder, der Autor der literarischen Vorlage von 1865, habe die nationalsozialistische "Abrechnung mit all denen, die Eigennutz über Gemeinnutz stellen, vorausgeahnt." (15)...

(14) Tobis-Presseheft zu "Robert und Bertram". Berlin 1939, S. 17.
(15) Ebd., S. 5.

Klaus Kreimeier: Antisemitismus im nationalsozialistischen Film (1996). In: http://members.fortunecity.com/dikigoros/nsfilm.htm.

In einem Interview während der Dreharbeiten betont Zerlett im Januar 1939 – zwei Monate nach der Pogromnacht:

"Diese Ipelmeier-Szene hat schon bei Räder eine stark antisemitische Tendenz; sie steht auch in meinem Film im Mittelpunkt. Es ist selbstverständlich, daß die sechs jüdischen Rollen, die vorkommen, mit Nichtjuden besetzt werden mußten, aber die Masken sind so echt, daß niemand an der Waschechtheit meiner Semiten zweifeln wird."

Landstreicher im Himmel. Gespräch mit Hans H. Zerlett über den Film "Robert und Bertram". In: Film-Kurier, Nr. 14, 17.1.1939.



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 04-Nov-2004