Tonfilmkrieg / Tonfilmfrieden. Materialien zum 15. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 20. - 24. November 2002.

Tobis über Tobis


Der Vorsitzende Dr. Ferdinand Bausback über die Tobis-Geschichte

Wir von der Tobis sind stolz darauf, Ihnen zeigen zu können, daß die deutsche Filmtechnik sich in der Spitzengruppe der Welt befindet. 
Es sind kaum 6 Jahre her, daß zum ersten Male der Name Tobis in Erscheinung getreten ist. Damals, als die Tobis gegründet wurde, war nichts vorhanden als ein Stück Papier, das Gründungsdokument nämlich, auf welchem allerdings die Patentrechte der maßgebenden europäischen Tonfilmverfahren dem jungen Unternehmen verbrieft, und die für den Betriebsanfang erforderlichen Geldbeträge zugesagt waren. Man ging mit Energie ans Werk, und in gemieteten Räumen wurde die Herstellung der komplizierten Aufnahme- und Wiedergabeapparaturen in Angriff genommen. Nur wenige von den Erfindern hergestellte Apparate standen als verbesserungsfähige Modelle zur Verfügung. Aber schon gleich entstanden die ersten großen Schwierigkeiten. Die mächtigen amerikanischen Elektrizitätskonzerne, welche vermöge ihrer Kapitalkraft die serienmäßige Herstellung der Apparate schneller hatten entwickeln können, versuchten Deutschland und die übrigen europäischen Länder mit ihren Wiedergabeapparaturen im Eiltempo zu überschwemmen, während gleichzeitig die amerikanischen Produktionsfirmen ihre ersten Tonfilme hierherbrachten. Die Gefahr, daß wir in Deutschland vorwiegend amerikanische Filme durch amerikanische Apparate zu sehen und zu hören bekamen, war drohend geworden. Gestützt auf unsere Patentrechte, welche nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen Ländern eingetragen waren, haben wir in zähem und oft aufregendem Kampf uns durchgesetzt. 
Bei diesen Kämpfen erfolgte das erste Zusammengehen der Tobis mit den großen Elektrofirmen Siemens & Halske, AEG, und Telefunken, welche die von ihnen entwickelten Tonfilmgeräte durch die Klangfilmgesellschaft herstellen und vertreiben ließen. Aus diesem Zusammengehen wurde ein Bündnis, welches im Jahre 1929 zu einer Arbeitsteilung zwischen den Elektrofirmen und der Tobis auf dem Tonfilmgebiet führte. 
Danach übernahmen für die Zukunft die Elektrizitätsgesellschaften durch die Klangfilm G.m.b.H. die Herstellung und den Vertrieb von Aufnahme- und Wiedergabeapparaten, wohingegen sich die Tobis mit den Patentangelegenheiten und der Förderung des Filmwesens zu befassen hatte.
Jetzt gingen wir zur Offensive in denjenigen der von den Amerikanern bedrohten Gebiete vor, welche wegen ihrer wirtschaftlichen, geographischen und patentmäßigen Situation als deutsche Vorzugsgebiete angesprochen werden mußten. Es kam zu Verhandlungen zwischen den amerikanischen, deutschen und einigen sonstigen Tonfilminteressenten, welche nach heftigem Ringen zum Tonfilmfrieden von Paris, dem sogenannten Paris Agreement von 1930 führten. Dieser sicherte dem deutschen Tonfilm die Freizügigkeit in der ganzen Welt. Auf diese Tatsache weise ich mit großer Freude, aber auch mit allem Nachdruck hin, angesichts der Vorstellungen, welche immer von Zeit zu Zeit in Bezug auf die Patentsituation der Tobis-Klangfilmgruppe erhoben werden, indem man dieselbe oft als Monopol bezeichnet. Sie ist kein Monopol, sondern sie ist bedingt durch die Pariser Abmachungen, und diese fallen, wenn man die deutsche Patentlage zerstören würde.

Film-Kurier, Nr. 52, 2.5.1935



[Fortsetzung]:
Ferdinand Bausback: 
Das unfehlbare Mittel, 
einen guten Film zu machen


Mit der Erreichung des Patentfriedens war der Zeitpunkt gekommen, wo man sich dem Ausbau des eigentlichen Filmgeschäfts in vollem Umfang zuwenden konnte. Der Grundgedanke dabei war der, daß man der deutschen Filmindustrie alles zur Verfügung stellen wollte, was man an technischen Einrichtungen zur Herstellung von Filmen braucht. Es wurden die Ateliers hier in Johannisthal und im Grunewald errichtet bzw. ausgebaut, ebenso in Epinay bei Paris und auf dem Rosenhügel und am Sievering in Wien. An diesen Stätten werden den Produzenten die Atelierräume, die Aufnahmeapparate mit dem geschulten, hochqualifizierten Personal, dann die Requisiten, Schneide- und Kontrollräume, Vorführungssäle mit dem nötigen Gerät usw. zur Verfügung gestellt. In unserer Kopieranstalt in Köpenick wird der Ton der Filme nach unseren Patentverfahren kopiert. 
Als vor drei Jahren infolge der damaligen Verhältnisse im deutschen Filmwesen einige bedeutende Verleihunternehmungen in Schwierigkeiten geraten und zusammengebrochen waren, griff die Tobis ein und beteiligte sich bei der Errichtung neuer Verleihgesellschaften, mit welchen sie der Produktion einen neuen Auftrieb gab. So entstanden die Europafilm AG, das N.D.L.S. und die Tofa AG, welche jetzt zusammen 60 Filme jährlich herstellen lassen. Bei der Beteiligung an diesen Firmen war der Gedanke leitend, daß man durch Heranziehung außenstehender Persönlichkeiten und Kapitalien selbständige Unternehmen schaffen wollte. Diese sollten alle Vorteile genießen, welche die Muttergesellschaft ihnen verschaffen kann. Bei der Tobis selbst wollte man die Schaffung eines allzu großen Apparates vermeiden, bei welchem leicht die Gefahr der Bürokratisierung eintreten könnte. Jetzt, da diese Unternehmungen befriedigend arbeiten und uns schon manchen Spitzenfilm gegeben haben, ging man einen Schritt weiter und errichtete für den Vertrieb der Filme außerhalb Deutschlands die Tobis-Cinema AG. Die mit uns befreundete Internationale Tobis in Amsterdam schreitet ferner zum Ausbau von Vertriebsgesellschaften in Holland, Österreich, Polen, Spanien und der Schweiz. 
Es ist selbstverständlich, daß wir uns dauernd bemühen, den technischen Stand unserer Verfahren zu verbessern. Neben der großen Arbeit, welche auf diesem Gebiet die Klangfilm-Gesellschaft leistet, forschen wir in eigenen Laboratorien und Versuchswerkstätten, wobei wir uns u.a. der Dienste des Altmeisters der Tonfilmtechnik, des Herrn Massolle, versichert haben.
Ein anderes Problem der deutschen Filmwirtschaft hat uns in den letzten Jahren stark beschäftigt, nämlich die Finanzierung der Filmproduktion. Vielen von Ihnen werden die Mißstände bekannt sein, welche auf diesem Gebiet herrschten und welche dazu geführt hatten, daß auch soliden kleinen und mittleren Herstellerfirmen die Geldbeschaffung für ihre Produktion nur zu Wucherzinsen möglich war. Diese Zustände hatten einerseits eine vollständige Zurückhaltung der großen Banken auf dem Gebiet der Filmfinanzierung zur Folge, andererseits zwangen sie den Hersteller, sich nur billigen, rein auf Gewinn zugeschnittenen Produktionen zuzuwenden. Wir haben es, wohl zum erstenmal in der deutschen Filmgeschichte, erreicht, daß eine Großbank erhebliche Millionenbeträge zu ganz normalen Bedingungen zur Verfügung gestellt hat, während wir und andere an der Filmproduktion interessierte Stellen die erforderlichen Garantien gegeben und Sachkredite eingeräumt haben. Auf diese Weise wurde eine große Anzahl von Filmen finanziert, und alle Beteiligten haben so gute Erfahrungen damit gemacht, daß auch für die kommende Saison in gleicher Weise verfahren wird. Ich will nicht zu erwähnen vergessen die gleichartige Tätigkeit, welche die von der Reichsfilmkammer errichtete Filmkreditbank zum Segen der Filmwirtschaft ausübt.
Wozu nun alle diese Bemühungen, Sorgen und Kämpfe? Dienen sie etwa nur dem Wunsch, die Gefolgschaft beschäftigen zu können und Geld zu verdienen, um Dividende auszuschütten? 
Nein, alle diese Anstrengungen machen uns Freude, vom Atelierarbeiter bis zur Spitze des Aufsichtsrates, wenn wir sehen, daß wir damit dem deutschen Film helfen, seine großen Aufgaben zu erfüllen. Der Kongreß zeigte soeben wieder aufs neue, wie hundertfältig die Probleme sind, die sich um den Tonfilm lagern.
Aber wie zahlreich sie auch sein oder scheinen mögen, letzten Endes schält sich doch, genau gesehen, immer wieder das eine Hauptproblem heraus, neben welchem alle anderen Wünsche und Erwartungen gleichsam als Begleiterscheinungen oder Organisationsfragen erscheinen. Dieses Hauptthema ist eine Forderung, sie lautet: Macht gute Filme! oder präziser gesagt: Macht nur gute Filme! Ich höre Sie, meine Herren Theaterbesitzer, sagen: Die Botschaft hören wir gern, schickt ihr uns in Zukunft nur noch gute Filme!
Und die Künstler und all die anderen Filmschaffenden werden fragen: Wie macht man das? Nun, es ist gewiß nicht leicht, und ich werde Ihnen jetzt kein Mittel für den Einzelfall verraten. Aber der Gesamtheit aller derjenigen, welche am Entstehen des Films beteiligt sind, sage ich:
Ein guter Film muß künstlerisch wertvoll, technisch einwandfrei und wirtschaftlich befriedigend sein. Nur wenn auf allen drei Gebieten, auf dem künstlerischen, dem technischen und dem kaufmännischen, jeder mit seiner Arbeit zufrieden ist und die Arbeit der auf den andern Gebieten Beteiligten loben kann, dann ist die Sache in Ordnung. 
Wir brauchen also Künstler, die den Techniker auch als geistigen Menschen ansehen und verstehen und die Sparmaßnahmen des Kaufmanns und seine Kontrollen als zweckmäßig anerkennen, Techniker, die auf den Künstler eingehen, ohne daß es Geld kostet, und Kaufleute, die künstlerisch fühlen und trotzdem die Organisation straff in der Hand halten und sparsam wirtschaften.
Das heißt also, das Filmproblem ist ein Menschenproblem. 
Lassen Sie mich schließen, indem ich Ihnen im Namen aller im Kreis der Tobis tätigen Menschen gelobe: Wir wollen unsererseits nach Kräften daran mitwirken, den Film und insbesondere den deutschen Film zu der Geltung zu bringen, die er in der Welt verdient."

Film-Kurier, Nr. 102, 3.5.1935


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