Berliner Film-Ateliers. Ein kleines Lexikon

FROELICH-ATELIER

Berlin-Tempelhof, Borussiastr. 45-49

Gegründet: 1918/19
Glashaus 1134 qm
Atelier 1: 810 qm, ca. 6 m Bauhöhe.
Atelier 2: 324 qm, ca. 6 m Bauhöhe.


Als 1919 die beiden Glashäuser an der Oberlandstraße (Ufa-Tempelhof) durch Messter in die Ufa eingebracht werden, entsteht einige Straßen weiter in der Borussiastraße 45-49 ein neues Glashaus. Unter dem Namen National-Glashaus wird das Atelier bekannt, Betreiber ist offiziell die Glashaus-Film GmbH, eine Tochtergesellschaft der National.

Die große Glashalle ist in zwei Ateliers unterteilt, die auch durch Herausnahme der Trennwände zu einer großen Drehfläche vereinigt werden können. Außerdem steht ein Freigelände von 3000 qm zur Verfügung.

Das Atelier wird in den 20er Jahren vorwiegend für die Produktionen der National benutzt, bzw. der mit ihnen verbundenen Produzenten. So dreht z.B. Gerhard Lamprecht hier im Früjahr 1927 die zweite Filmfassung von Hermann Sudermanns
DER KATZENSTEG, später im Jahr dann seinen Zweiteiler DER ALTE FRITZ mit Otto Gebühr in seiner - zu dem Zeitpunkt schon eingespielten - Standardrolle als Preußenkönig.

»Auf einem zwischen Mietshäusern gelegenen Grundstück erhebt sich ein etwa zehn Meter hoher Glasbau mit den notwendigen Nebenbauten, wie Garderoben-, Bade-, Friseurräumen, Requisitenkammer, Tischlerei und was sonst alles noch zu einem Filmatelier gehört. Es handelt sich hier um ein vollkommenes Tageslichtatelier, welches bisher kaum große bauliche Veränderungen erfahren hat. (...) Schade, daß diese fast schon historische Stätte deutschen Filmschaffens so wenig frequentiert wird.

Der Tonfilm hat bisher noch nicht seinen Einzug in das Glashaus in der Borussiastraße gehalten. Wer kann es wissen, wie bald und wie leicht auch hier die Glaswände fallen und schallsicher abgedichteten Steinwänden Platz machen werden. Man sieht neben der bekannten National-Flagge auch noch ein anderes, amerikanisches Firmenzeichen. Diese Firma ist drüben überm großen Teich »tonangebend«. (National ist durch einen Cooperationsvertrag mit Warner Bros. verbunden, die 1927 mit
THE JAZZ SINGER den ersten Sprechfilm herausgebracht haben.) Wann wird das erste Mikrophon im alten, ehrwürdigen National-Film-Atelier aufgehängt werden.« (Film-Atelier, Nr. 2, 2. Januar-Nummer 1930).

1930 pachtet die Froelich-Film GmbH das Glashaus und läßt es zum Tonfilm-Studio herrichten.

»Als Froelich und Pflughaupt vor einer Reihe von Jahren das Tempelhofer Gelände mit den beiden Glashäusern aus Stummfilmzeiten erwarben, (...) waren die Ateliers noch nicht schallsicher voneinander getrennt. Man konnte darum die Dekorationen nur nachts bauen, was wiederum die durch den Lärm gestörten Einwohner des Geländes übelnahmen. Am Tage aber wurde durch die verschiedensten Außengeräusche - ob sie nun von Autos oder Flugzeugen kamen - die Arbeit empfindlich gehemmt, ja oft unmöglich gemacht. Darum war es zunächst einmal notwendig, die Glashäuser nach außen in abzudichten und außerdem - um den Aufbau der Dekorationen auch am Tage vornehmen zu können - schallsicher voneinander zu trennen.

Aus Strohsolomitlatten erhielten die Glashäuser eine dichte schützende Hülle, so daß sie nun, großen Strohscheunen nicht unähnlich, von außen gesehen einen sehr romantischen Anblick boten. Der draußen Vorübergehende konnte - falls er nicht zu den »Eingeweihten« gehörte - gewiß nicht vermuten, daß sich unter dieser eigenartigen Vermummung ein Tonfilmatelier verbarg. Die Tonverhältnisse waren allerdings auch jetzt noch keineswegs so, wie man sie sich wünschen mußte, und darum wurde die Strohhülle noch durch eine helle Putzvermantelung ergänzt. Die Hallen machten nun nicht nur äußerlich einen erfreulicheren, ihrem Zweck viel besser entprechenden Eindruck, sondern - was ja das Entscheidende war! - es ließ sich jetzt hier wirklich ungestört vom Lärm der Außenwelt arbeiten.« (Filmspiegel ?, Nr ?, 1938 ?)

Carl Froelich, als Kameramann bei Messter einer der Pioniere des deutschen Films, übernimmt mit seiner Firma das Atelier, produziert hier seine und anderer Regisseure Filme, darunter im Februar und März 1936 Rolf Hansens Kurzspielfilm
DAS SCHÖNHEITSFLECKCHEN, der erste deutsche Spielfilm in Farbe (Siemens Opticolor). Froelich, seit 1933 NSDAP-Mitglied, macht unter Goebbels Karriere: 1937 wird er zum Professor ernannt, 1939 Präsident der Reichsfilmkammer.

1938 läßt er das Atelier grundlegend neu gestalten.

»Der flache, langgestreckte, fast landhausartig wirkende Gebäudekomplex, über dem sich die mächtige dreitürmige Atelierhalle erhebt, ist das Werk des Architekten Franz Schroedter, der schon seit 1924 zu Professor Froelichs ständigen Mitarbeitern gehört. Die Aufgabe, die ihm hier von den Bauherren - Froelich und Friedrich Pflughaupt - gestellt wurde, war die Errichtung einer Künstlerwerkstatt im schönsten Sinn des Wortes. ,Von Filmschaffenden für Filmschaffende gebaut' könnte darum gleichsam hier als Inschrift über der Eingangstür stehen. (...) ,Kein Fabrikbetrieb, sondern eine Werk- und Heimstatt für Künstler', das war die Leitidee, der man dabei folgte. Daraus ergab sich schon die Anlage des Gesamtplans: kein Vielerlei von überall verstreuten Gebäuden, sondern jeder Raum unter demselben Dach und alle zu ebener Erde gelegen, um das lästige Treppensteigen zu vermeiden. Und dazu alles klar, hell, anheimelnd, ohne Protzerei, ohne artistische Kinkerlitzchen, ohne übertriebenen Luxus, aber doch so wohnlich und zugleich zweckmäßig eingerichtet, daß jeder in diesem Haus Schaffende sich hier wohlfühlen kann. (HW in: Filmspiegel ?, Nr. ?, 1938 ?).

Das Carl Froelich-Atelier wird im Krieg so schwer beschädigt, daß es nach dem Krieg nicht wieder in Betrieb genommen wird.

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