Triviale Tropen
Materialien zum 9. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 1996
Zeitgenössische Pressestimmen

Neuestes vom neuen Afrika

Paul Kurt von Gontard

in: Film-Kurier, Nr. 90, 18.4.1931


Vor sechs Monaten schiffte sich unter meiner Leitung eine 13 Köpfe zählende Expedition nach Ostafrika ein, um dort einen Film zu machen FREMDE VÖGEL ÜBER AFRIKA (Untertitel Flugzeug Kap – Kairo vermißt).

Aufgabe: etwas Neues. Afrika von der Luft zu erfassen. (Wir hatten hierzu Herrn Ernst Udet als 1. Piloten, Herrn v. Suchocki als zweiten Piloten, eine Klemm, eine Motte und eine B.F.W. mit.) Und Afrika menschlich so zu erfassen, daß man die Eigenart, das Gefühl Afrikas erlebt.

Afrika ist heute das Amerika vor 70 Jahren. In rasendem Tempo unserer heutigen Zeit wird es zivilisiert. Wo ich auf meiner ersten afrikanischen Expedition vor 6 Jahren noch ein Nichts fand, gehen heute Automobilstraßen, stehen Plantagen und hübsche Wohnhäuser.

Gegenden, die vor 2 Jahren, als ich PORI in Afrika produzierte, noch zu den wildreichsten gehörten, sind heute ausgeschossen.

Ich habe große Strecken Afrikas durchzogen und das Pech gehabt, daß meinen Spuren sogenannte Would-be-Jäger (möchte-gerne-Jäger) in Scharen gefolgt sind und gründlich aufgeräumt haben in der herrlichen afrikanischen Einsamkeit und Unberührtheit.

Einsamkeit und Unberührtheit sind aber zwei Dinge, die für einen afrikanischen Film unentbehrlich sind. Es müssen dann halt immer wieder neue Strecken Neuland gesucht werden, um menschlich und tierlich den schwarzen Erdteil so zu bringen, wie er ist.

Unsere Expedition hat dazu eine bisher kaum gekannte Ausdehnung über Afrika angenommen, zum Teil als Ganzes, zum Teil in einzelnen Sonderexpeditionen.

Der Kongo und Sudan sind nach Elefanten, großen Affen, Uganda nach Krokodilen und Flußpferden, Kenjy und Tanganyka nach Löwen und hundertausenden von Steppenwild, zu Fuß, per Auto und in der Luft durchstreift worden und vor allem die ganzen Länder nach den ursprünglichen, unverfälschten Schwarzen.

Die merkwürdigsten Dinge sind dabei passiert, von denen manche sogar schwer zu glauben sind, z.B. daß ein Löwe auf ein in der Luft in 2 1/2 bis 3 m Höhe fliegendes Flugzeug springt und ein großes Loch in die Tragfläche reißt, sich rückwärts überschlägt und das Flugzeug sich noch fangen kann, klingt wirklich merkwürdig. Aber wir werden den Absprung des Löwen, wie ich aus dem Rohmaterial ersehen habe, von der Luft aufgenommen, sogar im Film zeigen können.

Die Löwen hielten Flugzeuge nach meiner Beobachtung für große Vögel und waren sehr selten gewillt, bei Aufnahmen von oben abzugehen. Im Gegenteil, sie stellten sich und machten die wildesten Sätze, um dieser großen Vögel habhaft zu werden.

Außerdem müssen sie das Motorengeräusch mit den Vögeln in irgendwelchen Zusammenhang gebracht haben. Denn einer von ihnen war durch die Aufnahme so erbost, daß er mich, als ich im Auto zu einem Zusammentreffen mit Udet fuhr, kurz nach der Aufnahme von oben auf ca. 800 m ohne jeden Grund annahm (was sonst nie ein Löwe tut).

Ich glaubte zuerst, er mache nicht Ernst, habe wohl auch ein bißchen zu lange gewartet und konnte ihn dann gerade noch mit meiner schweren 10,75 auf 10 m in den offenen Rachen schießen. Man soll nicht zu lange warten.

Udets Notlandung im Sud und seine Rettung nach 5 Tagen aus diesem 600 km langen Papyrussumpf durch den bekannten englischen Flieger Brack ist ja bereits genügend bekannt. Leider ist dabei unser Operateur Hans Schneeberger so schwer erkrankt, daß er schon tagelang in München im Fieber zwischen 39 und 40 Grad liegt.


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